Nach der Emeritierung von Kardinal Schönborn als Erzbischof von Wien wurde Josef Grünwidl am 22. Jänner 2025 zum Apostolischen Administrator der Erzdiözese Wien bestellt. Seine Aufgabe war die interimistische Leitung der Erzdiözese inklusive Verwaltung, seelsorglicher und personeller Koordination. In dieser Phase profilierte sich Grünwidl als seelsorglich geerdeter Leiter, geschätzter Prediger und verständiger Gesprächspartner. Diözesanintern wurde sein zuhörender Führungsstil breit geschätzt.
„Als Pfarrer von Altsimmering und Dechant von Simmering bin ich dankbar für unseren neuen Erzbischof Josef und freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihm. Für seine große Aufgabe wünsche ich ihm alles Gute und Gottes Segen, damit er für alle, die ihm anvertraut sind, gut sorgen kann“; so Pfarrer Christian Maresch in einer ersten Reaktion.
Im ORF-Interview betonte Regina Polak, dass "es eine sehr gute Wahl ist. Er ist kein Revoluzzer, sondern wenn er Kritik übt, kommt diese aus einer tiefen Spiritualität. Er kann seine Anliegen theologisch gut begründen und macht dies in großer Dialogbereitschaft. Und er kann gut zuhören", so die Theologin und Professorin für Praktische Theologie an der Universität Wien.
Von Medien auf kirchliche "heiße Eisen" angesprochen, zeigte sich das frühere Mitglied der Pfarrer-Initiative offen für Reformen. Er betonte, der Zölibat sei für ihn persönlich eine bewusst gewählte Lebensform, aber "keine Glaubensfrage" - und sollte daher für Priester nicht zwingend vorausgesetzt werden. Beim Thema Frauen in der Kirche ortete er "dringenden Klärungsbedarf": Das Frauendiakonat sollte weiter diskutiert werden, auch eine Aufnahme von Frauen ins Kardinalskollegium wäre für ihn denkbar. Als Administrator nahm er drei Frauen ins diözesane Leitungsteam auf.

Trotz aller Strukturfragen sieht Grünwidl die Zukunft der Kirche nicht primär darin, sondern in der geistlichen Erneuerung. Die Seelsorge brauche weniger Funktionäre, sondern vielmehr "Mystikerinnen und Mystiker", so sein Credo. Wer kirchlich tätig sei, müsse zuerst das eigene geistliche Leben pflegen. Menschen mit "abweichender Lebensführung" oder Glaubenszweifler sollten auf "ein liebendes Herz" treffen, und statt oberflächlichem "Kulturchristentum" brauche es eine persönliche Christusbeziehung, sowie regelmäßiges Gebet, Schriftlesung und Eucharistie. In einer Zeit, in der die Zugehörigkeit zur Kirche zunehmend zur bewussten Entscheidung werde, plädierte er für stärkere Begleitung und eine glaubwürdige Verkündigung: Das Evangelium sei "die beste Botschaft, in der es um Frieden, Versöhnung, Gemeinschaft und Hoffnung geht".
Die schrumpfenden personellen und finanziellen Ressourcen der Kirche sind Grünwidl bewusst, musste er doch schon als Pfarrer und Administrator damit umgehen. Insbesondere beim Umgang mit kirchlichen Gebäuden plädiert er für behutsame, gemeindenahe Entscheidungen, die vom Erhalt über Umwidmung bis zur möglichen Veräußerung reichen könnten. Die beste Lösung sei "eine lebendige Gemeinde, damit Kirchen im Dorf bleiben" und weiterhin die spirituelle Grundversorgung sichern könnten. Der bisherige diözesane Interimsleiter sprach sich für ein pastorales Gebäudekonzept und verstärkte Zusammenarbeit zwischen benachbarten Pfarren aus.
Ausgleich zum kirchlichen Alltag findet Grünwidl in der Natur - beim Wandern oder Musizieren. Musik war für ihn stets "Lebensmittel" und "ein Weg zu Gott", sei es am Klavier oder an der Orgel, berichtete er in einem Interview. Freunde bezeichnen ihn als feinsinnigen und humorvollen Menschen und geben an, er sei Fan von Loriot. Zu seinen geistlichen Leitbildern zählen die Benediktsregel ("Bete, arbeite und lies") und die heilige Teresa von Avila, deren Gottvertrauen und "zweite Bekehrung" ihn besonders beeindrucken.
Josef Grünwidl wurde am 31. Jänner 1963 in Hollabrunn geboren und wuchs im nahegelegenen Wullersdorf auf, unweit des Benediktinerpriorats Maria Roggendorf. Nach der Matura am erzbischöflichen Aufbaugymnasium in Hollabrunn trat er 1981 ins Wiener Priesterseminar ein und studierte Theologie an der Universität Wien. Gleichzeitig belegte er das Konzertfach Orgel an der Musikuniversität. Während eines Studienjahrs in Würzburg fiel die Entscheidung: "Musik bleibt mein Hobby, Priester wird mein Beruf." 1987 wurde er durch Weihbischof Helmut Krätzl zum Diakon und, 1988 von Kardinal Franz König zum Priester geweiht.
Sein seelsorglicher Weg führte ihn zunächst als Kaplan nach Wien-St. Johann Nepomuk (ab 1988), dann als Kurat an die Dompfarre Wiener Neustadt (1991) und als Diözesanjugendseelsorger (1993) in die überregionale Arbeit. Von 1995 bis 1998 war er Sekretär des frisch ernannten Erzbischofs Christoph Schönborn. Danach war Grünwidl viele Jahre Pfarrer in mehreren Gemeinden des südlichen Niederösterreichs, darunter Kirchberg am Wechsel, Feistritz, St. Corona und Trattenbach. 2007 wurde er Dechant, ab 2014 Pfarrer von Perchtoldsdorf. 2016 folgte die Wahl zum geschäftsführenden Vorsitzenden im Wiener Priesterrat, 2023 die Ernennung zum Bischofsvikar für das Vikariat Süd, 2024 zum Ehrenkanoniker des Stephansdoms.
Das Datum der Bischofsweihe durch Kardinal Christoph Schönborn wurde mit 24. Jänner 2026 festgelegt.